Arbeitsschutz- und Arbeitsrechtliche Empfehlungen im Homeoffice

Moderner hybrider Arbeitsplatz mit ergonomischen Möbeln für Arbeitsschutz im Homeoffice
Moderner hybrider Arbeitsplatz mit ergonomischen Möbeln und großem Bildschirm im Homeoffice-Bereich sowie sauberem, organisiertem Schreibtisch und Dekor im Bürobereich, das eine professionelle und komfortable Umgebung darstellt.

Inhalt

Arbeitsschutz im Homeoffice ist ein stark diskutiertes Thema. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat im Rahmen des Programms ARBEIT: SICHER + GESUND (ASUG) umfassende arbeitsrechtliche und arbeitsschutzrechtliche Empfehlungen zur Gestaltung gesunder hybrider Bildschirmarbeit erarbeitet. In einer Politikwerkstatt mit über einhundert Fachexpertinnen unterschiedlicher Disziplinen und den Sozialpartnern wurden zentrale Fragen zur Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten diskutiert. Das BMAS reagiert mit diesen Empfehlungen auf den formulierten Auftrag im Koalitionsvertrag.

Hybride Bildschirmarbeit hat sich seit der Corona-Pandemie als neue Arbeitsform fest im Berufsleben vieler Menschen etabliert. 2023 boten 77 Prozent der Betriebe ab 50 Beschäftigten die Möglichkeit von zu Hause zu arbeiten an (Quelle: IAB-Forschungsbericht). Der Koalitionsvertrag für die 20. Legislaturperiode beinhaltet den Auftrag, "(…) zur gesunden Gestaltung des Homeoffice im Dialog mit allen Beteiligten sachgerechte und flexible Lösungen zu erarbeiten." (Koalitionsvertrag, S. 68 ff.). Diesen Dialog hat das BMAS von September 2022 bis Oktober 2023 in der Politikwerkstatt "Mobile Arbeit" durchgeführt.

In dem einjährigen Prozess diskutierten über 100 Expert die technischen, organisatorischen, personellen, kulturellen und rechtlichen Rahmenbedingungen für die Gestaltung guter mobiler Arbeit. Am Prozess beteiligt waren neben den Sozialpartnern, Arbeitsgestalter und (Arbeits-)Wissenschaftler auch Vertreter des Personalmanagements, des Gesundheitswesens, Experten in Steuer- und Rechtsfragen, der Immobilienwirtschaft, der Büroausstattung sowie Betreibende von Co-Working-Spaces, Führungskräfte und Berater.

Parallel zur Debatte in Deutschland wurden auf europäischer Ebene Sozialpartnerverhandlungen zum Thema geführt, die kein geeintes Ergebnis erzielten. Die EU-Kommission hat daher, im Hinblick auf eine europarechtliche Regelung, erneut Sozialpartnerkonsultationen eingeleitet.

Schlussfolgerungen aus der Politikwerkstatt

Der Dialog in der Politikwerkstatt "Mobile Arbeit" führte zu einem differenzierten Bild hinsichtlich Herausforderungen und Möglichkeiten hybrider Bildschirmarbeit, dem Homeoffice und Arbeitsschutz. Deutlich wurde: Sichere und gesunde hybride Arbeit setzt sich aus einer ausgewogenen Balance von Präsenzarbeit und mobiler Arbeit zusammen. Besondere Chancen liegen in der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sowie in besseren Teilhabemöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen. Auch kann hybrides Arbeiten die Wiedereingliederung nach längerer Arbeitsunfähigkeit unterstützen.

Die neue Art unseres Zusammenarbeitens stellt aber auch neue Anforderungen an alle Beteiligten. Arbeitgeber müssen faire und sichere Arbeitsbedingungen gewährleisten. Das gilt auch, wenn keine Telearbeit vereinbart wird. Gleichzeitig stellt hybrides Arbeiten besondere Anforderungen an die Beschäftigten, z. B. in Bezug auf die Selbstorganisation.

Der Diskurs in der Politikwerkstatt sowie Forschungsergebnisse zeigen: Dort wo betriebliche oder tarifvertragliche Regeln für das Arbeiten von zu Hause existieren, funktioniert hybride Arbeit gut. Regelungen sind insbesondere dann notwendig, wenn mobile Arbeit regelmäßig und in relevantem Umfang stattfindet. In diesem Fall sollten sich die Arbeitgeber mit den Beschäftigten und ihren betrieblichen Interessenvertretungen über geeignete Tätigkeiten und deren Ausgestaltung einigen. Dazu gehört auch, dass den Beschäftigten grundsätzlich und planbar ein Arbeitsplatz im Betrieb zur Verfügung steht.

Handlungsrahmen für die Praxis

Im Ergebnis der Politikwerkstatt "Mobile Arbeit" ist ein Handlungsrahmen mit arbeitsrechtlichen und arbeitsschutzrechtlichen Empfehlungen für gute hybride Bildschirmarbeit entstanden. Bis eine mögliche europäische Regelung wirksam wird, bilden diese Empfehlungen den Handlungsrahmen für die betriebliche Praxis zur Gestaltung sicherer und gesunder hybrider Bildschirmarbeit. Davon unberührt gelten die allgemeinen Anforderungen des Arbeitsschutzgesetzes.

Die Entwicklung hybrider Arbeitsformen in Deutschland ist nicht abgeschlossen. Vielmehr ist dies ein Prozess, in dem sowohl Unternehmen als auch Arbeitnehmer*innen lernen. Das BMAS wird diese Entwicklungen im Blick behalten und überprüfen, ob und welche Anpassungen notwendig sind.

Die BMAS Empfehlungen für gesunde hybride Bildschirmarbeit

Diese können hier auf der Seite des Arbeitsministeriums eingesehen werden. Wir haben diese jedoch auch hier gekürzt Zusammengefasst:

Die 7. Schritte zur Gestaltung guter hybrider Bildschirmarbeit:

  1. Begriffe, Anwendungsbereiche und Ziele definieren
  2. Geeignete mobile Bildschirmtätigkeiten festlegen
  3. Zeitliche Rahmenbedingungen für hybride Bildschirmarbeit festlegen
  4. Regelungen zur Aufteilung bzw. Übernahme der entstehenden Kosten treffen
  5. Gefährdungsbeurteilung durchführen, Maßnahmen festlegen und umsetzen
  6. Beschäftigte informieren und unterweisen
  7. Maßnahmen auf Wirksamkeit kontrollieren und ggf. anpassen

1. Begriffe, Anwendungsbereiche und Ziele definieren

Aushandlungsprozesse werden effizienter gestaltet, wenn alle Beteiligten ein gemeinsames Verständnis über die zu behandelnden Sachverhalte, den Umfang und die Ziele der Vereinbarungen haben. Wichtige Punkte hierfür sind:

Gemeinsame Ziele definieren:

  • Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben
  • Verringerung des Berufspendelns
  • Wiedereingliederung nach Erkrankung
  • Steigerung der Arbeitsplatzattraktivität
  • Betriebliche Kosteneinsparungen durch Desksharing

Grundsatz der doppelten Freiwilligkeit:

  • Beschäftigte haben keinen Rechtsanspruch auf Bildschirmarbeit im Privatbereich.
  • Arbeitgeber können Bildschirmarbeit nicht einseitig anordnen.

Umfang der Vereinbarung klären:

  • Regelungen zur Bildschirmarbeit im Homeoffice
  • Regelungen zur Arbeit an anderen Orten (z.B. unterwegs, im Flugzeug, auf Dienstreisen, im Hotel, im Urlaub oder während Workation)

Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats:

  • Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 14 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) hinsichtlich der Ausgestaltung der mobilen Arbeit.

Geeignete mobile Bildschirmtätigkeiten festlegen:

  • Ermittlung, welche Tätigkeiten sich für mobile Bildschirmarbeit eignen und deren spezifische Anforderungen.

2. Geeignete mobile Bildschirmtätigkeiten festlegen

Die Erörterung der Kriterien für mobile Bildschirmarbeit schafft Handlungssicherheit für alle Beteiligten. Wichtige Punkte hierbei sind:

Gemeinsame Festlegung der Kriterien:

  • Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer und Arbeitgeber sollten zusammen festlegen, welche Bildschirmtätigkeiten außerhalb der Arbeitsstätte erledigt werden können.

Einschränkungen für mobile Bildschirmarbeit:

  • Nicht jede betriebliche Bildschirmtätigkeit ist für mobile Ausführung geeignet.
  • Gründe können Betriebsabläufe mit Anwesenheitserfordernis, Datenschutz- und Datensicherheitsaspekte oder spezielle technische Anforderungen sein.

Mitbestimmung und Festlegung des Arbeitsortes:

  • Die Entscheidung, von welchem Ort aus mobil gearbeitet werden kann, unterliegt der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG bzw. § 80 Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG).
  • Diese Entscheidung muss gemeinsam mit der Interessenvertretung getroffen werden.

Einbeziehung des Betriebsrats:

  • Der Betriebsrat ist gemäß § 90 BetrVG rechtzeitig in die Planung des Arbeitsablaufs einzubeziehen.
  • Die Anforderungen an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen gemeinsam mit dem Arbeitgeber beraten werden.
  • Auch in Betrieben ohne Betriebsrat sollten die Beschäftigten bei der Festlegung der Kriterien beteiligt werden.

3. Zeitliche Rahmenbedingungen für hybride Bildschirmarbeit festlegen

Die Erörterung der Kriterien für mobile Bildschirmarbeit schafft Handlungssicherheit für alle Beteiligten. Wichtige Punkte hierbei sind:

Zeitliche Anteile und Anwesenheitspflicht:

  • Vereinbarung über maximale zeitliche Anteile der Bildschirmtätigkeiten, die außerhalb der Arbeitsstätte durchgeführt werden dürfen.
  • Festlegung von Tagen mit Anwesenheitspflicht im Betrieb.

Regelungen zur Erreichbarkeit:

  • Vereinbarungen zur Erreichbarkeit bei Bildschirmarbeit außerhalb der Arbeitsstätte.
  • Beachtung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG.

Desksharing und Planbarkeit der Präsenzarbeit:

  • Regelungen für Desksharing-Modelle, bei denen sich mehrere Beschäftigte die Bildschirmarbeitsplätze im Betrieb teilen.
  • Sicherstellung der Planbarkeit der Präsenzarbeit für betroffene Beschäftigte.
  • Rechtzeitige Unterrichtung und Beratung mit dem Betriebsrat gemäß § 90 BetrVG.

Mitbestimmung und Mitarbeitervertretung:

  • Festlegungen unterliegen der Mitbestimmung nach § 80 BPersVG.
  • Gemeinsame Entscheidungen mit der betrieblichen Mitarbeitervertretung.
  • Einbeziehung der Beschäftigten in Betrieben ohne Betriebsrat bei der Festlegung der Kriterien.

4. Regelungen zur Aufteilung bzw. Übernahme der entstehenden Kosten treffen

Transparente und ausgewogene Regelungen zur Aufteilung der Kosten schaffen Handlungssicherheit für alle Beteiligten und vermeiden Konflikte. Wichtige Punkte hierbei sind:

Kostenübernahme durch den Arbeitgeber:

  • Kosten für erforderliche Arbeitsmittel (Grundausstattung) und Maßnahmen des Arbeitsschutzes (§ 3 Abs. 3 Arbeitsschutzgesetz - ArbSchG) sind unabhängig vom Arbeitsort vom Arbeitgeber zu tragen.
  • Solche Vereinbarungen können auch Gegenstand betrieblicher oder tariflicher Regelungen sein.

5. Gefährdungsbeurteilung durchführen, Maßnahmen festlegen und umsetzen

Die Gefährdungsbeurteilung ist auch bei hybriden Arbeitsmodellen die Grundlage für sichere, gesunde, motivierende und produktive Arbeitsbedingungen. Wichtige Punkte hierbei sind:

Einbeziehung der Beschäftigten:

  • Die erforderliche Gefährdungsbeurteilung bei hybriden Arbeitsmodellen und die Umsetzung der Maßnahmen erfolgen unter Einbeziehung der Beschäftigten für Tätigkeiten außerhalb der Arbeitsstätte.

Nutzung von Checklisten:

  • Empfehlenswert sind Checklisten für die Gefährdungsbeurteilung, die von den Beschäftigten zur Erfassung der Umgebungsbedingungen und der Arbeitsplatz-Ausstattung genutzt werden können.

Festlegung von Schutzmaßnahmen:

  • Der Arbeitgeber legt auf Basis der Gefährdungsbeurteilung die im Einzelfall erforderlichen Schutzmaßnahmen fest.

6. Beschäftigte informieren und unterweisen

Hybrid arbeitende Beschäftigte müssen befähigt werden, ihren besonderen Mitwirkungspflichten zur Gestaltung der Arbeitsbedingungen bei Bildschirmarbeit außerhalb der Arbeitsstätte nachkommen zu können. Wichtige Punkte hierbei sind:

Information der Beschäftigten:

  • Geeignete Informationsformen: Aushang, E-Mail, Intranet, Teamsitzungen oder Informationsveranstaltungen.
  • Ziel ist die umfassende Information der Beschäftigten über ihre Mitwirkungspflichten.

Unterweisungen und Schulungen:

  • Beschäftigte sind im Rahmen von Unterweisungen auf ihre besonderen Mitwirkungspflichten bei hybrider Bildschirmarbeit hinzuweisen.
  • Schulungen sollen die Beschäftigten befähigen, ihren Mitwirkungspflichten nachzukommen.

Mitwirkung bei Kontrollen:

  • Beschäftigte müssen auch über ihre Mitwirkungspflichten bei Wirksamkeitskontrollen des Arbeitgebers und bei Kontrollen der Arbeitsschutzbehörden und Aufsichtsdienste der Unfallversicherungsträger informiert werden.

7. Maßnahmen auf Wirksamkeit kontrollieren und ggf. anpassen

Ein wirksamer Arbeitsschutz basiert auf regelmäßiger Überprüfung der Zielerreichung und kontinuierlichen Verbesserungsprozessen. Wichtige Punkte hierbei sind:

Wirksamkeitskontrollen durch den Arbeitgeber:

Überprüfung der Schutzmaßnahmen im Privatbereich der Beschäftigten durch:

  • Befragung der Beschäftigten
  • Fotodokumentation der Arbeitsbedingungen
  • Nutzung von Checklisten

Anpassung bei wesentlichen Änderungen:

  • Bei wesentlichen Änderungen der betrieblichen Rahmenbedingungen (z. B. Änderung des zeitlichen Rahmens, Inhalte und Umfang der Bildschirmtätigkeiten, Einführung von Desksharing-Modellen) sind die Schritte 1 bis 7 erneut durchzuführen, um Änderungsbedarfe systematisch zu ermitteln und umzusetzen.

Anpassung bei individuellen Änderungen:

  • Bei Änderungen der individuellen Voraussetzungen (z. B. Wohnungswechsel, Änderung der auszuführenden Bildschirmtätigkeiten) reicht eine erneute Durchführung beginnend bei Schritt 6.

Die Veröffentlichung des Bundesministerium für Arbeit und Soziales könnt ihr hier abrufen.

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